Der frühe Bergbau an der Ruhr

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Versuche über die Umdrehung der Erde in dem Kohlenschachte »zur alten Roßkunst« am Schlehbusche in der Grafschaft Mark

Der folgende Text ist ein Auszug aus den Aufzeichnungen Johann Friedrich Benzenbergs über seine Versuche auf der Zeche Trappe (seinerzeit auch Schlehbusch genannt). Die Auszüge konzentrieren sich auf die Beschreibung der Örtlichkeiten und der Schwierigkeiten durch die bergbaulichen Besonderheiten. Die wissenschaftlich interessanteren Versuchsergebnisse finden Sie im Originaldokument (siehe Quellenhinweis am Schluss des Textes).
 

Achter Abschnitt: Versuche zu Schlehbusch über die Umdrehung der Erde

Unter den Kohlenschächten der Graffschaft Mark ist der Kohlenschacht zur alten Roßkunst zu Schlehbusch, im Bergrevier Wetter, einer der tiefsten. Seine seigere Teufe beträgt 42 Lachter oder 264 pariser Fuß.

Das Kohlenflöz , der Trappe, worauf er abgetäuft ist, ist hier bis auf's Wasser abgebaut, und es findet deßwegen jetzt keine Kohlenförderung statt. Doch wird der Schacht noch fahrbar gehalten, weil, wenn über 5 Jahre der tiefe Erbstollen durchkommt, die Grube wieder in Betrieb gesetzt wird.

Die Luft im Schacht ist ruhig, wenn er oben dicht zugedeckt ist, und unten die Strecken mit Stroh abgeschlagen sind. Man hängt also nicht auf eine so ängstliche Weise vom Wetter ab, als bey den Versuchen in Kirchthürmen.

Durch die freundschaftlichen Empfehlungen des Herrn Caspar Harkort erhielt ich vom Herrn Oberbergbmeister Crone in Wetter die Erlaubnis zu diesen Versuchen, und zugleich den Befehl, daß der Schacht befahren und, wenn es nöthig sey, ausgebessert würde.

Am 15ten December 1803 ging ich hin. Die Witterung war sehr ungünstig; es hatte stark geschneit, und der Schnee ging wieder ab. In der Nähe des Schachts war kein Haus, wo ich mit meinem Gehülfen bleiben konnte, und ich mußte jeden Morgen und jeden Abend eine halbe Stunde durch Holzwege gehen, um zu einen Bauern, Namens Howar, zu kommen, bei dem wir zur Herberge lagen. In der Kohlengegend sind die Leute gewöhnlich sehr an die Unreinlichkeit gewohnt, weil die Reinlichkeit da eine Tugend ist, die fast kein Mensch üben kann. Unser Bauer und seine Frau und die kleine Familie hatten es aber zu einem besonders hohen Grade im Gegentheil gebracht, und ihre Körper verbreiteten einen Dunstkreis um sich, der bey den schmierigen Kamtschadalen wohl nicht schlimmer ist.

Der Wetterzug war äußest stark im Schachte, wie das im Winter immer ist, besonders wenn es bey nebenlicht grauem Wetter friert. Um mich gegen das Ungemach der Witterung zu schützen, so ließ ich mir ein kleines Häuschen von Brettern auf den Schacht setzen, dessen Ritze mit Moos und Stroh verstopfet waren.

Unten liegen noch alle Kohlen um den Schacht, und bloß zwei Gänge führen in die Strecken. Einer dieser Gänge ist zugemauert, und den anderen stopfte ich mit Strohbündeln zu. Aber es ist unmöglich, einen Schacht so dicht zu verstopfen, daß aller Luftzug aufhört.

Alles, was man thun kann, ist, daß man der Luft den Durchgang so viel wie möglich erschwert. Wenn der Schacht oben dicht mit Brettern zugelegt und unten mit Stroh abgeschlagen war, so war die Lichtflamme ruhig. Nämlich die Bewegung der Luft, die jetzt nur durch ganz kleine Öffnungen durchkonnte, war in diesen zwar sehr schnell, aber die ganze Luftmasse im Schacht, deren Durchschnitt etwa 36 Quadratfuß war, bewegte sich so langsam, daß sie eine Lichtflamme nicht mehr beugen konnte.

Im Boden der Hütte war eine Oeffnung von 25 Quadratzoll, durch welche die Kugel fiel. Als der ganze Schacht zugelegt war, so zog die Luft, die keinen anderen Ausweg hatte, sehr stark durch dieses Loch, obschon die Hütte möglichst dicht verschlossen war.

Im Fahrschacht ist 8 Fuß unter Tage die erste Ruhe. Neben diese schnitt ich eine Oeffnung in die Bretter, welche den Fahrschacht vom Treibschacht scheiden. ... Oben wurde der Fahrschacht recht dicht zugelegt, und die Luft überall so ruhig, daß sich nirgends die Lichtflamme beugte.

Abbildung der HaltevorrichtungIch glaubte nun sicher, dass die Kugeln unten alle auf einen Fleck treffen würden, allein sie fielen nicht nur um mehrere Zoll, sondern um mehrere Fuß von der Lotlinie ab, und ein Paar kamen sogar mit Prellungen unten an. Die Ursache habe ich nicht entdecken können, und bey allen Untersuchungen, die ich mit dem Loth und dem Lichte anstellte, konnte ich nichts finden, was der Kugel im Wege sey.
Ich vermuthe, daß diese Störungen der Kugel von dem hineintröpfelnden Tagewasser kamen. Wenn diese auf die Zimmerung fallen, so zerspringen sie in kleine Tröpfchen, die zwar wenig Masse, aber eine große Geschwindigkeit haben. Springt ein solches Tröpfchen auf die vorbeyfallende Kugel, so wird diese dadruch natürlich sehr von ihrem Wege abgelenkt. Ich sahe mich nun genöthigt, der ungsünstigen Jahrszeit zu weichen, und die trockenen Sommermonate abzuwarten, von diene ich hoffte, daß man in ihnen diese Versuche mit mehr Erfolg würde anstellen können.

Anfangs April ging ich nach Schlehbusch, um die Trockenheit der Bergwerke zu untersuchen. Es war der Wunsch der Verleger, und auch der meinige, diese Versuche noch vor der Ostermesse zu vollenden, weil sie schon im Meßkatalog angezeigt waren Aber ich fand die Gruben noch ebenso naß, als im Winter, weil der starke Schnee, der gegen Ende Februar fiel, mehr Wasser hineingebracht hat, als die Märzwinde weggetrocknet hatten. Eben so naß fand ich sie noch in der Mitte des Mai, wo ich wieder hineinging. Der Sommer war sehr naß, und ich fürchtete schon die Unmöglichkeit, sie dieses Jahr vollenden zu können. Aber mit Ende August fiel eine anhaltende Trockenheit ein, die bis in den Oktober ununterbrochen fortdauerte. Als ich am 4ten Okt. wieder nach Schlehbusch kam, so versicherten mir die Bergleute, daß es jetzt so trocken in den Gruben sey, als es je werde.

Herr Kaimer im Wald war mein Gehülfe. Er ließ oben die Kugeln los, und ich beobachtete unter ihr Aufschlagen. Den 7ten Oktober gegen Mittag ließen wir die ersten Kugel fallen.

Wenn man diese Versuche oberflächlich ansieht, so glaubt man, daß sich aus ihnen nicht viel für oder gegen eine Frage folgern lasse, welche sich um die geringe Größe von 4,6 Linien dreht. Wenn man aber bedenkt, daß man eigentlich nicht diese bestimmen will, sondern die Summe von 29 Abweichungen, welche über 11 Zoll beträgt: so sieht man leicht, daß sich diese einzeln genommene Abweichungen vom Mittel haben, die dreymal so groß sind, als die Größe von 4,6 Linien, über die entschieden werden soll. - Wenn die Erde sich um ihre Axe dreht, so ist eine Ursache da, welche jede Kugel um 4,6 Linien von der Lothlinie nach Osten treibt. Diese gibt eine beständige Abweichung, die sich in der Summe unter den anderen unvermeidlichen Fehlern finden muß, weil diese nicht beständig nach einer Seite hinfallen, und sich daher in einer großen Reihe Versuche immer gegen einander aufheben, und un so mehr, je größer die Reihe ist.

Die Versuche in Bergwerken haben in mancher Hinsicht Vorzüge vor denen in Thürmen, aber manches ist auch wieder in Thürmen ungleich vorteilhafter. Hiehin gehört besonders die Reinlichkeit, die bey so feinen Versuchen nicht darf vermißt werden, und die in den Gruben so schwer zu erhalten ist. Von dem Anfassen der schmutzigen und nassen Sprossen, beym Hinab- und Heraufsteigen, werden die Hände ganz mit Koth überzogen, und man macht ungeachtet des beständigen Waschens doch alles schmutzig, was man anfasst.
Dann ist es sehr leicht, daß man bey der Finsterniß, bey dem Schmutz und bey der Nässe, die einen in den Bergwerken von allen Seiten umgeben, etwas übersieht, was m an in den trockenen, reinlichen Räumen des Thurms leicht bemerkt. So habe ich einmal im Bergwerke einen kleinen Fehler in der Lothlinie übersehen, von dem es im Michaelisthurm unmöglich gewesen wäre, ihn nicht zu bemerken.

Dann ist einem das Leiternsteigen anfangs sehr beschwerlich, und das Alleinseyn unter der Erde unangenehm, wo man gar nichts hört als das Tröpfeln der Grubenwasser; besonders wenn man sich denkt, daß einem das Licht ausgehn, und daß wegen der feuchten Finger und des feuchten Zunders das Feuerzeug versagen würde. - Doch gewöhnt man sich hieran ziemlich bald. Nach drey Tagen fühlte ich keinen Schmerz mehr in den Achselmuskeln, und im Bergwerke war ich bald so bekannt, daß ich lieber im Finstern hinausfuhr, als mit einem Lichte. Im Grunde ist dies auch immer sicherer, weil man sich denn bloß auf sein Gefühl verläßt, und vom Lichte nicht verblendet und zerstreut wird.
Das Wassertröpfeln war vorigen Winter so stark, daß ich jedesmal, so oft ich in der Grube war, ganz durchnässt wurde, und das Glas der Magnetnadel lag oft so voll Wassertropfen und Kohlengestübe, die diese mit fortgerissen, daß ich keinen Theilstrich mehr sehen konnte.

Der Schacht wäre viellelicht ganz trocken gewesen, wenn er völlig durch festes Gestein niedergebracht wäre. Aber oben streicht noch ein Kohlenflötz durch, dem die Tagewasser auf seinem Einfallenden folgen, und dann, wenn diese an den Schacht kommen, niedertröpfeln. Dieses Tröpfeln würde sich nun durch große Mühe und Kosten haben abändern lassen. Man hätte von einer Höhe von 150 Fuß, wo das Flötz durchgeht, eine doppelte Reihe Querpfosten den ganzen Schacht hinunter ins Gestein schlagen müssen, und über diese Bretter nageln.

Was diese Versuche noch besonders schwierig für mich machte, das war die Entfernung meines Wohnorts von 4 Meilen vom Schlehbuscher Kohlenschacht. Wenn man nahe bey dem Orte wohnt, wo man die Versuche anstellt, so kann man die ungünstigen Umstände mit der Despotie seines Willens zwingen, und die Versuche dann endlich zum Ziel legen müssen. Denn auch die schwierigsten Versuche müssen endlich der Ueberlegung und der Beharrlichkeit weichen. ... Hätte Schlehbusch bei Schöller gelegen, so hätte ich die gefallenen Kugeln gleich umgegossen, und aufs neue drehen lassen.

Ohne die freundliche Aufmerksamkeit von Hrn. Harkort, der nur eine Stunde von Schlehbusch wohnt, würde ich diese Versuche vermuthlich gar nicht haben anstellen können. Indem dieser den Wünschen, die deie physische Existenz betrafen, auf alle mögliche Weise zuvorkam, so konnte ich meine Aufmerksamkeit ungetheilt den Versuchen schenken.

Es giebt viele Bergwerke, die ungleich tiefere Schächte haben, und daher zu diesen Versuchen noch vorzüglicher sind, als die alte Roßkunst zu Schlehbusch. Nur ist es schwer, diese Versuche auf einem Schachte zu machen, der noch in Betrieb steht, theils wegen der Stöhrung, welche die Bergknappen und die Erzförderung machen, theils wegen der Dröhnung, die die Erde in der Nähe der Kunstgezeuge hat, wo die Wasser mit Pumpen gehoben werden.

Historische Karte Fallversuch auf Trappe
Die oben stehende Karte mag Ihnen die räumliche Orientierung erleichtern, wo Benzenberg seine Versuche durchgeführt hat. Das Gut Harkorten ist nicht auf der Karte, da es zu weit entfernt ist.

Den vollständigen Text finden Sie bei ECHO- European Cultural Heritage online - Search: Benzenberg.

Quellen: [20]

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